Festival Rilke 2016

Wie wohl keine andere Dichterbiografie ist diejenige Rilkes von Legenden und Mythen umrankt, auch was seine letzten Lebensjahre im Wallis anbetrifft. Ein literarisches Festival, das in Sierre stattfindet und sich dem Werk und Leben Rilkes verschreibt, hat sich solchen Verklärungsversuchen zu stellen und selbstredend etliche weitere Hürden zu nehmen. Der Konzeption der diesjährigen Ausgabe des Festivals Rilke ging denn auch eine Phase des Überdenkens, des Experimentierens voraus, auch weil es galt, das Festival neu auszurichten. Das Festival findet seit 2001 in einem dreijährigen Rhythmus statt und hat sich seither zum Fest der Literatur und insbesondere der Lyrik entwickelt. Dennoch war es notwendig geworden, das Profil ein wenig zu schärfen, wobei nun Ausgangspunkt wieder verstärkt Rilke ist, der in seinen letzten Lebensjahren in Sierre und insbesondere im Türmchen von Muzot eine wichtige Schreibstätte gefunden hat. Diese und die nachfolgenden Ausgaben des Festivals werden sich daher unterschiedlichen Aspekten, die mit dieser Konstellation einhergehen, widmen: das Schreiben in der Abgeschiedenheit, in einem anderen Sprachraum, die Bedeutung von Übersetzungen und die Wirkung von Übersetzungsarbeit auf das eigene Schreiben oder der grundsätzlichen Frage, wo die Berührungspunkte zwischen Wahrgenommenen und Wahrnehmendem sind.

Die diesjährige Ausgabe des Festivals befasst sich mit dem Thema „Turm“. Türme haben in Werk und Leben Rilkes eine grosse Bedeutung, zumal sich mit dem Muzot-Turm der lang herbeigesehnte Schreibort geradezu materialisiert. In diversen Veranstaltungen und Formaten gehen wir unser Thema von verschiedenen Seiten an: Bruno Pellegrino hat Korrespondenzen von und aus dem Muzot-Turm zu zwei Textcollagen montiert, die unter der Regie von Anne Salamin szenisch gelesen werden; in einer Ausstellung von Brigitte Duvillard kann man Darstellungen der diversen Türme, die in Rilkes Leben und Werk vorkommen, betrachten; wir haben die junge Filmschaffende Natalia Gadzina beauftragt, sich auf Spurensuche zu begeben und einen Kurzfilm zu Rilkes Aufenthalt in Sierre zu drehen; es hat in Schulen von Sierre, Crans, Salgesch und Brig Workshops mit Autoren gegeben, die mit Kindern und Jugendlichen Texte zu diesem Thema erarbeitet haben und anlässlich des Festivals performen werden; wir haben den Architekten Luca Ortelli beauftragt, eine turmhohe Aussenrauminstallation zu entwerfen, die in den Festivaltagen von Schauspielern bespielt werden wird. Dazu wird es Lesungen, Konzerte, Gesprächsrunden und – natürlich – auch Speis und Trank geben… So will diese Ausgabe des Festivals Rilke, mit der die Fondation Rilke auch ihren 30. Geburtstag begeht, vor allem eines: Es will drei Sommertage Au plaisir du poème widmen.

Merkmal des neuen Festivalkonzepts ist, dass es zweisprachig ist, weshalb wir ausgewählten Autorinnen und Autoren aus dem deutschen und dem französischen Sprachraum – Sierre liegt ja an der Sprachgrenze – eine Bühne bereiten möchten, um, Rilke immer in Sichtweite, eine aktuellen Bezug zur Gegenwartslyrik zu bieten. Wir freuen uns daher sehr, dass Gerhard Falkner und Nora Matocza, Rolf Hermann, Uwe Kolbe, Jean-Michel Maulpoix, Laurence Verrey, Pierre Voélin und Alexandre Voisard unserer Einladung gefolgt sind.

Die Programmkommission

Festival Rilke 2016: affiche

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